9/13/11

Stefan gegen das Internet

Etappe 10: Mulhouse - Montreux-Vieux (34,9 km)


08:20 Der Tag beginnt gut, ich bin halbwegs ausgeschlafen, frühstücke lange bevor ich zusammenpacke. Der Besitzer des Hotels verwickelt mich in ein Gespräch, ist neugierig, erzählt mir, dass sein Sohn auch mal den Jakobsweg gemacht habe, aber nur die klassische Strecke, und auch nicht alles zu Fuss, sondern manchmal auch mit dem Taxi (?!). 2 Monate habe er gebraucht. Naja, denke ich mir, keine all zu grosse Leistung. Dann fragt er mich, ob ich am Kanal entlang laufen werde.Welcher Kanal? Er erklärt mir, dass der Rhein-Rhone-Kanal hier entlangführt und dass dieser nach Belfort geht. Dort entlang gebe es einen Radweg. Ich bin begeistert.


9:50 Ich laufe los, und siehe da, ein Radweg am Kanal entlang, EU-Subvention sei Dank. In malerischer Idylle geht es recht flach, jedoch mit vielen Brücken und Staustufen nach Westen. Leider funktioniert meine mobile Internetverbindung im Ausland aus irgendwelchen Gründen nicht, so dass ich ein wenig im Blindflug unterwegs bin. Egal, in Belfort habe ich ein Hotel gebucht, der Fluss führt dahin, wie schwer kann's sein.

13:00 Leider führt der Weg zwar immer am Fluss lang, aber nicht wirklich durch Ortschaften. Ich habe zwar Notproviant dabei, aber was ordentliches zu beissen wäre nicht schlecht. Der Radweg ist gut bevölkert, recht erstaunlich für unter der Woche, aber hier ist ja Frankreich, hier gibt's Agrarsubvention, da kann man radeln gehen. Scheinbar ist am Wochenende noch mehr los, es sind mehrere geschlossene Restaurant am Wegesrand, eins hat wenigstens Süssigkeiten und kalte Cola aus dem Automaten am Start. Der wird mein Freund, Mittagessen für Münzgeld :-)

13:30 Irgendwie führt die Route am Kanal deutlich südlich von meiner geplanten Route nach Belfort vorbei, ich versuche aus der reudigen Garmin Software schlau zu werden. Einfach ist das nicht, alle paar Minuten schmiert sie ab, aber irgendwann wird klar, dass der Radweg zwar zum mittelfristigen Ziel Besancon führt, an Belfort aber 20 km im Süden vorbei führt. Well, ich Depp muss mich ja auch darauf verlassen, was mir ein Franzose sagt, kann ja nur schief gehen. Ich beschliesse, erstmal weiter zu laufen, vielleicht finde ich ja noch einen Ort mit Internetanbindung.


14:30 Immer weiter geht es am Kanal lang, alle paar hundert Meter kommt eine Staustufe, auf den 60 km bis Montbéliard sind es glaube ich 45. An jeder gibt es ein einen Schleusenwärter. Der wohnt in seinem Schleusenwärter-Diensthaus und fährt seinen Schleusenwärter-Dienstwagen. Seine Aufgabe ist es, wenn ein Schiff kommt, dieses durch die Schleuse zu schleusen. Ich laufe 3 Tage am Kanal lang. Zähle 3 Schiffe. Für 45 Schleusenwärter. Vielleicht kommen die ganzen Fahrradfahrer da her.


17:00 In Montreux-Vieux gebe ich auf. Kein Internet. Keine Möglichkeit, mein Hotel zu stornieren. Nach Belfort sind es noch 18 km. Von Belfort nach Montbéliard 20, von Montreux-Vieux 25. Das macht keinen Sinn. Ich fahre mit dem Zug nach Belfort, nachdem ich den Buggy über die Gleise geschoben habe. Kommt tatsächlich ein Clown und erzählt mir, dass sei verboten, ich möge die Überführung nehmen. (siehe Bild). Gut, dass sich der One-Finger-Salute auch in der französischen Sprache wieder findet.

19:30 Fast zwei Stunden habe ich versucht, eine Prepaid SIM Karte mit Internetpaket zu bekommen. Aussichtslos. SFR will nicht, Orange kann nicht und für Bouygues ist alles besonders schwierig, aber zumindest der Verkäufer unheimlich hilfsbereit. Ich gebe auf, lauf quer durch die Stadt (Nochmal fast 4 km) und komme zum schlechtesten Hotel - eigentlich mehr ein Loch - in dem ich in meinem Leben je war. Zimmer ungefähr so gross wie mein Buggy, in der Ecke ein Waschbecken, was scheinbar auch als Pissoir dient, denn die Toilette ist auf dem Gang. Dusche ebenso, die Wände aus Pappe, der Fernseher so gross wie eine 2 Euromünze. Aber: Internet! Ich lade mir Kartendaten herunter, die Weg am Kanal (Eurovelo 6, ein EU-subventioniert Fernradweg) ist super, hier werde ich noch 400 km lang laufen).

20:30 Ich gehe zur Tanke, vielleicht gehts nach 1-2 Pils besser. Dort merke ich, dass es in diesem Drecksland noch nicht mal Bier an der Tanke zu kaufen gibt. Alle anderen Läden machen hier gegen 7 zu, denn man lebt ja von der Subvention, nicht von der Leistung. Zum Abendessen gibt es Madeleines und Orangina von der Tanke, denn Restaurants sind hier auch keine, das Hotel weist mich aber darauf hin, dass man mir praktischerweise 24h Snacks am Automaten anbietet. Schokoriegel. Merci beaucoup.

22:00 Irgendwie gelingt es mir, Daten Roaming an meinem Telefon zum Laufen zu kriegen. So versuche ich - stinke sauer und mit grandiosem Hass auf die Frösche - aber immerhin mit einem kleinen Sieg - zu schlafen, was mehr schlecht als recht gelingen soll.